Persuasive Sprechhandlungen in Josef Škvoreckýs Prima sezóna
Hausarbeit zum Hauptseminar Diskursanalyse für Slavisten (Geschlechtsspezifische Aspekte der Konversation in Alltag und Institution) im WS 2004/2005 bei Prof. Dr. Peter Kosta Universität Potsdam Institut für Slavistik Lehrstuhl für Slavische Sprachwissenschaft
von Stefan Daute Matrikelnr. 132449 Lindenstr. 4 14467 Potsdam Tel.: 0331-505 41 65 E-Mail:
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Inhalt 1.
Einleitung
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2.
Zur Abgrenzung des Begriffs Persuasion
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3.
Persuasion in der Dialoganalyse
4
4.
Strategien der Persuasion
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5.1
Persuasive Dialoge in Josef Škvoreckýs Prima sezóna
8
5.2
Sprachliche Mittel
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5.3
Bewertungen
16
6.
Resumée
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Bibliographie
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1.
Einleitung
Situationen, in denen wir andere Menschen zu einer Handlung oder von einem Sachverhalt zu überzeugen versuchen, finden sich täglich. Dies betrifft nicht nur das Gespräch zwischen zwei Personen sondern bedingt durch die zunehmende Medialisierung auch die EinbahnKommunikation von Printmedien, Rundfunk, Fernsehen und Internet. Persuasion ist das wesentliche Element der Werbung, die heute allgegenwärtig ist. Gleichzeitig bedeutet die politische Entwicklung der letzten 100 Jahre mit ihrem Demokratisierungsprozess, als dessen bislang letzter großer Schub der Zusammenbruch der realsozialistischen Systeme mit seinen bis in die letzten Jahre hineinreichenden Ausläufern anzusehen ist, eine zunehmende Bedeutung persuasiven Handelns auch in der Sphäre der Politik. Im demokratischen System nimmt solches Handeln einen sehr viel größeren Raum ein als in autoritären oder totalitären Systemen. Letztere verzichten ebenfalls nicht auf Persuasionsversuche im politischen Raum – in diesem Fall dann als Propaganda bezeichnet, jedoch sind sie nicht auf eine erfolgreiche Persuasion angewiesen und es ist überhaupt fraglich, ob es hierbei um persuasives Handeln geht, da dieses die Möglichkeit der freien Entscheidung voraussetzt. In Diktaturen wird jedoch der Machtanspruch der führenden Partei durch die staatliche Gewalt, also unter Zwang, durchgesetzt. Thema dieser Arbeit ist nicht die Persuasion im öffentlichen Raum, sondern ihr ursprünglicher Raum – die Kommunikation zwischen zwei Menschen. Zur Analyse werden hier Dialoge aus Josef Škvoreckýs Roman Prima sezóna herangezogen. Zunächst erfolgt jedoch eine Definition des Begriffs der Persuasion durch die Betrachtung der Wortherkunft und die Erklärung seiner Bedeutung innerhalb der Dialoganalyse. Nachfolgend werden die verschiedenen Strategien der Persuasion und ihre Auswirkungen auf die Strukturen persuasiver Dialoge vorgestellt. Nach einigen Überlegungen zur Spezifik der Dialoge in Prima sezóna soll dann an zwei sich anschließenden Beispielen untersucht werden, welche Strategie der Protagonist des Romans hier verfolgt. Abschließend folgen einige Überlegungen zu Besonderheiten der verwendeten sprachlichen Mittel in diesen Dialogen und zur Rolle von Bewertungen.
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2.
Zur Abgrenzung des Begriffs Persuasion
Das Duden Fremdwörterbuch definiert Persuasion durch das deutsche Substantiv Überredung. Persuasion geht zurück auf das lateinische persuāsiō, das als Überredung, Überzeugung übersetzt wird. Der Duden definiert Überreden als „jdn. durch eindringliches (Zu-) Reden dazu zu bringen, dass jd. etwas tut, was er ursprünglich nicht wollte“ und Überzeugen als „jd. durch einleuchtende Gründe, Beweise dazu bringen, etwas als wahr, richtig, notwendig anzuerkennen“. Das lateinische Abstraktum hat also noch eine doppelte Bedeutung, die sich den neuzeitlichen Lehnwörtern, die auf dieses zurückzuführen sind, nicht erhalten hat. Im Duden Fremdwörterbuch findet sich neben Persuasion noch das ebenfalls aus dem Lateinischen stammende Fremdwort Konviktion, dem mit dem Hinweis „veraltet“ das deutsche Überzeugung zugeordnet wird. Im klassischen Latein findet sich hierzu jedoch keine Entsprechung. Lediglich dem Verbum convincere (1. Ps.: convincō), dem die deutschen Übersetzungen „1. widerlegen; 2. überführen; 3. unwiderleglich beweisen“ zugeordnet werden, kann man eine semantische Verwandtschaft zu Überzeugung zugestehen. Wohl die meisten neuzeitlichen Sprachen zeigen im Gegensatz zum klassischen Latein eine Differenzierung zwischen Überredung und Überzeugung auf: engl. to persuade vs. to convince, frz. persuader vs. convaincre, port. persuadir vs. convencer, russ. уговорить vs. убедить, poln. namówić vs. przekonać und schließlich čech. přemluvit vs. přesvědčit1. Man beachte die auf das Lateinische zurückgehenden Entsprechungen des Englischen und der romanischen Sprachen.2 Der sprachwissenschaftliche Terminus Persuasion schließt wie sein lateinischer Ahn Überreden und Überzeugen ein. Dabei bezeichnen letztere zwei verschiedene Strategien persuasiven Sprechhandelns. Die Strategie des Überzeugens setzt auf die Kraft von Argumenten und das auch auf deren Grundlage schließlich gefällte rationale Urteil des zu persuadierenden Gegenübers. Die Strategie der Überredung demgegenüber beruht auf „Pseudoargumentation“, die subjektiv-emotionale Rezeptoren anspricht 3 . Die verschiedenen Strategien der Persuasion werden im Weiteren detailliert beschrieben.
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für die slavischen Sprachen sind jeweils die perfektiven Aspektvarianten angegeben das Tschechische weist hier wie so oft eine auffällige Kongruenz zum Deutschen auf: Präfix čech. pře- = dt. über- und Wurzel -svědč- = -zeug-. 3 Kosta, Peter: Zur semantischen Struktur und illokutionären Kraft persuasiver Sprechakte, in: Girke, Wolfgang (Hrsg.): Slavistische Linguistik 1995. Referate des XXI. Konstanzer Slavistischen Arbeitstreffens Mainz 26.29.9.1995, S. 221. 2
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3.
Persuasion in der Dialoganalyse
Persuasion findet in einer Kommunikation zwischen mindestens zwei Interaktanten statt, und zwar dann, wenn der erste (im Folgenden Proponent genannt) den zweiten (Opponent) dazu bringen will, eine Handlung (Z) auszuführen, die letzterer von sich aus nicht durchführen würde. Bedingung ist hierbei, dass der Proponent keine Zwangsmittel einsetzt und der Opponent frei entscheiden kann, ob er auf die Initiative des Proponenten positiv oder negativ reagiert.4 Voraussetzung für persuasive Kommunikation ist also ein Konflikt, der im Dissens zwischen beiden Interaktanten über Z bei gleichzeitiger Verknüpfung des Opponenten mit Z besteht: der Proponent will Z, der Opponent will Z nicht, der Proponent glaubt Z nur mit Zustimmung des Opponenten erreichen zu können und beginnt folglich einen Persuasionsversuch.5 Z kann dabei verschiedener Natur sein. Es muss nicht um eine Handlung im konventionellen Sinn gehen. Über Searles Sprechakttheorie, die auch Sprechen als Handeln versteht, hinausgehend, kann die Handlung hier ebenfalls mentaler oder psychisch-emotiver Natur sein. Es sind also Fälle denkbar, in denen ein Proponent in einem persuasiven Dialog einen Opponenten nicht zu einer praktischen Handlung bewegen will, sondern eine Einstellungsänderung zu einer bestimmten Sache bewirken will oder eine emotionale Veränderung hervorrufen will. Elke Mann unterscheidet in diesem Sinne praktisch-gegenständliche, mentale und emotivpsychische Handlungen, die Ziel persuasiven Sprechhandelns sein können. Ein Beispiel für eine mentale Handlung ist die Übernahme der Meinung des Proponenten durch den Opponenten in einer Diskussion. Persuasives Sprechhandeln mit einer emotiv-psychischen Handlung als Ziel wäre etwa der Versuch jemanden zu trösten, also eine Veränderung seiner emotionalen Lage zu erreichen.6 Unter Handlungsintention versteht man den kognitiven Teil des Persuasionsziels. Diese Zweidimensionalität von Handlungsziel und Handlungsintention ist jedoch nicht immer gegeben. Bei einem praktisch-gegenständlichen Handlungsziel besteht sie ohne Zweifel, bei einem emotiven jedoch ist das Handlungsziel bereits erreicht, wenn die Handlungsintention erreicht ist, beide fallen also zusammen. Mann bezeichnet entsprechend Handlungsintentionen als „Teilmenge von Handlungszielen“.7
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Smith, Mary John: Persuasion and Human Action. A Review and Critique of Social Influence Theories, Belmont (Kalifornien) 1982. nach: Kosta, Peter: Argumentation, Persuasion und der turn-taking-Mechanismus, in: Čmejrková, Světla/Hoffmannová, Jana/Müllerová, Olga/Světlá, Jindra (Hrsg.): Dialoganalyse VI, Referate der 6. Arbeitstagung Prag 1996, Teil 1. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1998, S. 118. 5 Mann, Elke: Persuasive Sprechhandlungen in Alltagsdialogen des Russischen. Unter besonderer Berücksichtigung ihrer Handlungsbedingungen. München: Otto Sagner 2000, S. 56f. 6 Ebd., S. 63. 7 Ebd., S. 34.
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4.
Strategien der Persuasion
Wie bereits erwähnt gibt es verschiedene Strategien in persuasiven Dialogen. Differenzierungsindikatoren sind hierbei 1. ob das persuasive Handlungsziel des Proponenten offen verfolgt wird oder dem Opponenten (zunächst) das Ziel des Gesprächspartners verborgen bleibt8 und 2. ob der Proponent argumentativ auf die Ratio des Opponenten einzuwirken versucht oder andere Mittel jenseits einer argumentativen pro/contra-Darstellung des Sachverhalts einsetzt. Argumentativ-persuasives Sprechhandeln bezeichnet man als Überzeugen im Gegensatz zum Überreden, das auch als Beeinflussung (seduction) bezeichnet wird.9 Während beim Überzeugen der Opponent im idealisierten Modellfall die Argumente des Proponenten abwägt und nach ihrem Gewicht entscheidet, ob er dem Ziel des Proponenten zustimmt oder nicht, kommen beim Überreden andere Faktoren hinzu. Die rationale Entscheidung wird hier sozusagen mit sachfremden Erwägungen vermischt. Der Proponent kann hierbei etwa sein Gegenüber dadurch beeinflussen, dass er sich einschmeichelt oder z.B. Vorteile irgendeiner Art verspricht. Die Beziehung zwischen den Interaktanten spielt hierbei eine viel größere Rolle als beim Überzeugen, eben weil die Entscheidung von der reinen Argumentation entbunden ist. So ist etwa denkbar, dass der Opponent nur deshalb zustimmt, weil er sich dem Proponenten in irgendeiner Weise verpflichtet fühlt oder ihm dessen Drängen lästig wird und er den Konflikt schnellstmöglich auflösen möchte. Dies kann selbstverständlich auch bei Persuasion mit Überzeugungsstrategie der Fall sein, dann allerdings ist dies nicht auf ein gezielt strategisches Handeln des Proponenten zurückzuführen, sondern geht vom Opponenten aus. Elke Mann spricht abweichend davon im Zusammenhang mit der Dichotomie von Überreden und Überzeugen nicht von zwei sich gegenüberstehenden Strategien, sondern von zwei verschiedenen Handlungsintentionen, dem „Überreden-Wollen“ und dem „Überzeugen-Wollen“ (dementsprechend soll beim Opponenten der Zustand des „Überredet-Seins“ bzw. „Überzeugt-Seins“ erreicht werden, der dann zu Z führt). Der Zustand des Überzeugt-Seins kennzeichnet sich dadurch, dass der Opponent die Perspektive des Proponenten internalisiert, während beim Überredet-Sein die Abgabe der Akzeptanzerklärung aufgrund bestimmter pragmatischer, extralinguistischer Faktoren zustande kommt.10 Als Handlungsstrategien zum Erreichen des Persuasionsziels beschreibt Mann zwei Argumentationsweisen: die objektive und die subjektive Argumentation. Entsprechend der oben beschriebenen Dichotomie des Überzeugens und Überredens spricht die objektive Argumentation die Ratio des Gegenübers an, wäh8
Ebd., S. 72 f. Kosta, Peter: Argumentation, Persuasion und der turn-taking-Mechanismus, S. 120. 10 Mann, Elke: Persuasive Sprechhandlungen in Alltagsdialogen des Russischen. S. 177. 9
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rend die subjektive auf Emotionen abzielt.11 Beide Handlungsintentionen können durch beide Argumentationsstrategien verfolgt werden. Uneingeschränkt gilt dies jedoch nur bei Handlungszielen gegenständlich-praktischer Natur. Bei mentalen und emotiv-psychischen Handlungszielen kann die Intention des Überreden-Wollens nicht verfolgt werden. Hier fehlt die Zweidimensionalität einer kognitiven und einer praktischen Komponente, die bei einem gegenständlich-praktischen Ziel voneinander abweichen können. Der Opponent kann die gegenständlich-praktische Handlung ausführen, ohne von ihr überzeugt zu sein. Der Proponent hat somit sein Ziel erreicht. Bei mentalen und emotiv-psychischen Handlungszielen ist dies nicht möglich. Die Persuasion kann nicht durch eine von mentaler Überzeugung unabhängige praktische Handlung als geglückt manifestiert werden. Da Überredet-Sein immer eine Diskrepanz zwischen mentaler Einstellung und Handeln bedeutet, kann dieses nicht Handlungsintention bei einem mentalen oder psychisch-emotiven Handlungsziel sein. Weiterhin kann ein mentales Handlungsziel nicht durch die Strategie der subjektiven Argumentation erreicht werden.12 Weitere Möglichkeiten einer Unterscheidung verschiedener persuasiver Strategien nennt z.B. O’Keefe. Dabei geht es darum, wie das Handlungsziel in das Gespräch eingebracht wird. Bei der foot in the door-Strategie bringt der Proponent zunächst ein Handlungsziel in den Dialog ein, das nicht bis an sein eigentliches Ziel Z heranreicht, in der Hoffnung, dass der Opponent auch Z zustimmen wird, wenn er bereits eine Akzeptanzerklärung für ein nicht ganz so weit gehendes Ziel gegeben hat. Dem gegenüber steht die door in the face-Strategie. Hierbei bringt der Proponent ein über Z hinausgehendes Ziel ein. So hat er die Möglichkeit, nach einem ablehnenden Bescheid von Seiten des Opponenten das eigentliche Handlungsziel Z als Kompromissvorschlag einzubringen. Die foot in the door-Strategie folgt der Erkenntnis, dass jemand, der bereits einen positiven Bescheid gegeben hat, eine darauffolgende zweite Offerte mit größerer Wahrscheinlichkeit annehmen wird als eine einzelne, alleinstehende Initiative. Die door in the face-Strategie wiederum nutzt den Umstand, dass wohl in vielen Fällen beim Opponenten nach einem negativen Bescheid ein Gefühl der Verpflichtung dem Proponenten gegenüber entsteht, das dieser ausnutzen kann, um einen positiven Bescheid für sein eigentliches Handlungsziel Z zu erhalten.13 Beide von O’Keefe beschriebenen Strategien müssen als Varianten der dissimulativen Strategie angesehen werden, da bei beiden der persuasive Dialog nicht mit dem Einbringen des Handlungsziels Z beginnt, sondern sich der Proponent auf Umwegen an dieses herantastet.
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Ebd., S. 162ff. Ebd., S. 168. 13 O’Keefe, Daniel J.: Persuasion. Theory and Research, Newbury Park/London/New Delhi: Sage Publications 1990, S. 169ff. 12
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Die Strukturen persuasiver Dialoge unterscheiden sich v. a. dann, wenn eine offene einer dissimulativen Strategie gegenübersteht. Die Unterscheidung zwischen Überredungs- und Überzeugungsstrategie findet auf einer tieferen Ebene statt. Im Modellfall beginnt ein persuasiver Dialog mit offener Strategie mit einem (u. U. direktiven) Sprechakt, der das Handlungsziel des Proponenten ins Gespräch einbringt. Dabei kann es sich um eine BITTE oder einen VORSCHLAG oder – wenn das Ziel eine mentale Handlung ist – eine BEHAUPTUNG handeln. Nach einer negativen Reaktion durch den Opponenten folgt eine argumentative Untermauerung des Handlungsziels, die dieses für den Opponenten annehmbar machen soll. Sollte nach dem Einbringen des Handlungsziels keine ablehnende Reaktion durch den Opponenten und kein weiteres argumentatives Handeln des Proponenten erfolgen, so liegt kein persuasiver Dialog vor. Das Handeln des Proponenten besteht so in einem persuasiven Dialog mit offener Handlungsstrategie aus zwei Teilen: Einbringen des Handlungsziels und nachfolgendes argumentatives Sprechhandeln als Reaktion auf den negativen Bescheid des Opponenten. Auf den ersten argumentativen Turn des Proponenten können beliebig viele Wechsel von Argumentation und negativem Bescheid folgen, abhängig davon, wann der Opponent die Persuasion durch eine Akzeptanzerklärung glücken lässt oder der Proponent sein Handlungsziel aufgibt: NRn+1 Æ retraktive SH ISH Æ NR1 Æ Arg1 Æ NR2 Æ Arg2 Æ NRn Æ Argn Akz (wobei ISH NR Arg Akz
initiale Sprechhandlung des Proponenten negative Reaktion des Opponenten Anführen von stützenden Argumenten durch den Proponenten Akzeptanzerklärung des Opponenten)
Abb. 1: Persuasionskette aus Sicht des Proponenten14
Die Struktur persuasiver Dialoge bei dissimulativer Handlungsstrategie des Proponenten ist demgegenüber variabler. Die dissimulative Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass der Proponent sein Gegenüber zunächst durch argumentatives Sprechhandeln bereits in Richtung seines Handlungsziels zu bewegen versucht, bevor er dem Opponenten dieses offenbart. Während bei offener Strategie das Persuasionsgespräch eindeutig mit dem Einbringen des Handlungsziels, auf das dann unbestimmt viele argumentative Turns folgen, einsetzt, beginnt das Persuasionsgespräch mit dissimulativer Strategie bereits vor dem Einbringen des Handlungsziels. Diesem gehen beliebig viele argumentative Turns von Seiten des Proponenten voraus und eine unbestimmte Anzahl weiterer können folgen.
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Die Differenzierung zwischen Überredungs- und Überzeugungsstrategie zeigt sich – wie bereits erwähnt – nicht in der Makrostruktur persuasiver Dialoge. Entscheidend ist hier, ob das Handeln des Proponenten auf rein kognitiv-rationaler Basis funktioniert, also die Ratio des Opponenten anspricht oder er eine Argumentation einsetzt, die durch das Hervorrufen bestimmter Emotionen bei diesem eine Einstellungsänderung erzielen soll.15
5.
Persuasive Dialoge in Josef Škvoreckýs Prima sezóna
Der tschechische Schriftsteller Josef Škvorecký veröffentlichte 1975 in dem von ihm selbst im kanadischen Exil gegründeten Verlag Sixty-Eight Publishers seinen Roman Prima sezóna. Der Ich-Erzähler des Romans, der Gymnasiast Danny Smiřický, berichtet davon, wie er mehreren Mädchen seine Aufwartung macht. Hierbei geht es ihm weniger um romantische Beziehungen als um sexuelle Kontakte. Dies ist aus seinem inflationären Umgang mit Liebesbezeugungen und der Vielzahl der von ihm umworbenen Mädchen zu schließen. Bis auf eine der Umworbenen widersetzen sich alle den Bestrebungen des Romanhelden. Es überrascht also nicht, dass in dem Roman zahlreiche persuasive Dialoge zu finden sind. Es existiert hier ein übergeordnetes Handlungsziel „sexuelle Handlungen“. In den einzelnen Dialogen entspricht das jeweilige Handlungsziel nicht immer diesem Übergeordneten, jedoch dienen die meisten der Handlungsziele der Annäherung an das eine übergeordnete Ziel. Es gilt jedoch zu beachten, dass bei einem Handlungsziel, dessen Verbalisierung in der Vergangenheit tabuisiert war, aber auch heute oft nur kryptisch geäußert wird, eine ebensolche kryptische bzw. implizite, jedoch für den Opponenten verständliche Äußerung nicht ausgeschlossen werden kann. Wenn etwa der Hauptheld auf Seite 128 seinem Gegenüber vorschlägt: „Pojď se projít do skal“16 ist nicht auszuschließen, dass beide wissen, dass es nicht darum geht, einen Spaziergang zu den Felsen zu machen, sondern eher um körperliche Annäherung. Die Spezifik des Handlungsziels bewirkt hier in diesem Sinne, dass dieses nicht explizit geäußert wird und der Proponent eher zu einer dissimulativen Handlungsstrategie neigt, wie sich bei der Analyse des folgenden Dialogs zeigen wird17:
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Mann, Elke: Persuasive Sprechhandlungen in Alltagsdialogen des Russischen, S. 77. Kosta, Peter: Zur semantischen Struktur und illokutionären Kraft persuasiver Sprechakte, S. 214. 16 Škvorecký, Josef: Prima sezóna, Praha: Nakladatelství Galaxie 1991, S. 128. Alle nachfolgenden Zitate aus „Prima sezóna“ entstammen dieser Ausgabe. Seitenzahlen sind im Text angegeben. 17 Die Zwischentexte, die als Hintergrundinformationen hier nicht vernachlässigt werden sollen, sind kursiv gesetzt. 15
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... Danny Ahoj, duše! Irena Ahoj, Danny, obrátila na mě velké hnědé oči, které se jako vždycky smály. Na velké truchlení kvůli Zdeňkovu elegantnímu odchodu z plovárny to nevypadalo. D Můzu tě doprovodit? I Klidně, řekla. Zařadil jsem se vedle ní a šli jsme rychle v chumelenici a na ramenou a na hlavách se nám dělaly malé sněhové závěje. Byla skoro tma, zatemněné lucerny vrhaly na ulici jenom bleďoučké přeludy namodralého světla, ale bílý koberec sněhu naplňoval ulici krásným přísvětlím. D Ty seš krásná, Ireno, řekl jsem bez rozpaků. Byly doby, kdy mi dělalo problém, jak začít. Asi v kvartě jsem objevil, že je to jedno. Tak jsem řekl rovnou: „Ty seš krásná, Ireno!“ I Copak chceš? D Co? I Co chceš? D Jak to? I Že řikáš, že sem krásná. D Dyť je to pravda. I Neni. A co chceš? D Pravil jsem netištně, protože v tom momentě mi opravdu stačilo, že s ní jdu. Nic nechci. I Lžeš! D No fakt! I Lež jako věž, řekla Irena. Já tě znám. Ty dycky něco chceš. D Já? Dycky? Jedině že chci dycky bejt v tvý blízkosti, Ireno. Jinak nic. I Jo nic! Právě že to ti nikdy nestačí. D Měla pravdu. Jenomže komu by to taky stačilo. Jedině mně, pomyslel jsem si trpce. Poněvadž mně muselo. Nestačí, řekl jsem. Já tě miluju, víš? I To je vod tebe hezký. D Ale vod tebe to neni hezký. I Co? Co neni vode mě hezký? D Tohle. I Co tohle? D Nojo, co vlastně? Že mě, aspoň zatím, odmítá. Na odmítání mají holky právo. Ale hezký to od nich stejně není. Obzvlášť když to nedělají důsledně. Jako právě Irena. Omezil jsem se pouze na vyčítavé: Já tě miluju, a ty – I Já tě taky mám ráda. D To je ohromný! I A neni snad? D Neni. Ty to jenom řikáš. I Neřikám. Je to fakt. D Víš, jak stojí v bibli? I Nevim. Co? D Podle skutků jejich poznáte je. I Já dělám fůru skutků, řekla. Copak tohle neni skutek, že s tebou jdu? D Je, ušklíbl jsem se trpce. Ale skutek milosrdenství. Na tamto sou jiný skutky. I Jenže na ty zas je desatero božích přikázání. D Že ty je tak dodržuješ, Ireno! I A ty jo? D No – přesně ne. Dostal jsem nápad. Dyž mám někoho rád, tak je nedodržuju. Zásadně. I Já je zas zásadně dodržuju. D Dyž máš někoho ráda? Nevěděla jak dál. V teologii na mě nestačila. Býval jsem až do kvarty nejlepší ministrant a důstojný pán Meloun se mnou nápadně zaváděl řeč na seminář. Skoro mě to lákalo, jenomže v kvartě se mi začaly líbit holky. Irena si to mezitím srovnala v hlavě a řekla: I Ano. Ponivač nechci bejt pokušení ke hříchu. D To seš stejně, ať chceš nebo nechceš, řekl jsem. A mimoto kecáš. I Houby. D Co třeba Zdeněk? I Ten – to je něco jinýho. D Mně připadá úplně stejnej jako já.
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Až na to, že neni jako ty v tom hlavnim. Ne? A v čem? Neběhá za každou. Já snad běhám za každou? Skoro za každou. Takovou jsem měl pověst, to byl fakt. A byl jsem v tom ne poměrně nevinně. Nasadil jsem tragický výraz. Šli jsme zrovna kolem Granady, kde pod modrou žárovkou na rohu stál německý voják. Za Granadou se táhlo volné prostranství k nádraží a na nádraží najednou vyšlehl otevřený plamen z lokomotivy a ozářil hustě padající vločky. Sypaly se výšky, tmou, a měkce dopadaly na ulici a na Ireninu hnědou hlavičku. Mlčel jsem, dokud jsme nepřešli kolem vojáka. Voják se za náma otočil, zřejmě učinil pokus kouknout se Ireně na nohy. Moje kroky vrzaly v čerstvém sněhu. Za každou! pravil jsem jako trpce. A nevíš asi proč, Ireno? Zrovna ty nevíš proč?“ Ponivač seš sukničkář. A nevíš proč? Ne, řekla. Prostě seš. Některý kluci sou takoví. Já neřikám, že za to můžeš. Já za to taky nemůžu. Jenže to te nevomlouvá. Ale tebe taky ne. Mě? Jakto mě? No tebe. Nedělej, že nevíš proč. To nevim, teda. Lež jako věž, opakoval jsem po ní. Neřekla nic. Věděla dobře, proč jsem sukničkář. Nebo, přesně řečeno, myslela si, že to ví. Byla dost důvěřivá. Když jsem jí řek, že ji miluju, věřila tomu do písmenka. A já ji opravdu miloval. Ovšem – Lež jako věž, řekl jsem ještě jednou. Ty dobře víš proč, Ireno, a vidíš, jaká seš. Jaká? Já to nevim. Řekni mi to! Ale dyť to víš. Ani moc ne, věříš? Ne? Tak já ti to řeknu, dyž chceš: krutá a bezcitná. To neni pravda, řekla. Je. Náhodou seš vedle. Nejsem. Tobě je úplně jasný, co na tobě chci, a přitom mi pokaždý dáš košem. Seš úplně, ale úplně vedle, pravila Irena trochu záhadně. Jenže já se úspěšně potápěl do slovního žalu a nedošlo mi nic. Šli jsme přes bílou planinu za nádražím k řece, a byli jsme tu první. Pláň před námi ležela netknutá, umetená, a my jsme za sebou nechávali dve řady stop. Pokaždý, Ireno, řekl jsem. Dáš mi košem, a bude ti úplně fuk, že mně je na umření. Že jo? Mlčela. Že jo? dorážel jsem. Jsi krutá a bezcitná a já tě miluju a ty to víš a stejně mi dáš košem. A co dyž nedám? řekla. Vyrazilo mi to dech. Co? Máš uši, ne? Civěl jsem na ni úplně neinteligentně. Mám. Ale nějak jsem ti nerozuměl, řekl jsem a žvanil jsem honem dál, abych se z toho leknutí vzpamatoval. Budu se na to muset podívat do slovníku, co to znamená. Povídalas vopravdu: Nedám? No. Nedáš! pronesl jsem zasněně, a v duchu mě napadl nemravný význam toho slovesa. Rychle jsem kul železo, dokud teda bylo žhavé: Ale kde, Ireno? A kdy? Zejtra? Jo? Zamyslela se. Byli jsme už skoro u jejich domu, u mostu přes řeku. Řeka byla zamrzlá a ležela na ní tlustá bílá sněhová duchna. Na rohu visela další modrá lucerna a vločky se přes ni sypaly ještě hustěji než před chvílí u Granady. Vypadalo to, že celé město zapadá sněhem. Vešli jsme do jejich ulice. Takové štěstí mi připadalo nemožné. Ale snad moje ukecávací metoda konečně zabrala i na Irenu. Anebo je v tom něco jiného? Vzpomněl jsem si, že jsem v
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neděli zapálil v aule svíčku, abych získal Irenu. Tak proto! Ta svíčka! Rychle jsem v duchu poděkoval Pánu Bohu a Ireně jsem řekl: Šla bys – já bych sehnal klíče od Pittermanovic chaty a – To ne, pravila rozhodně a zastavila se. Otočila se ke mně a znova mi koukla těma svýma smějícíma se očima do obličeje. Na žádnou chatu se nepude, Danny. To víš! To zrovna! Ale přiď ve tři k nám, jo?“ K vám? řekl jsem otráveně a naděje ve mně žalostně splaskla. U vás už sem byl. Sedumkrát. To je teda jako dybys mi dala košem. To teda neni, řekla a odmlčela se a hnědé oči jí hříšně zasvítily. Táta má až do příští středy bilanci a chodí domu až v noci. A ségra? otázal jsem se nedůvěřivě. Ségra má vodpoledne basket, mistrák s Pakou. Ireno! pravil jsem nadšeně. Myslíš to vážně? No asi jo. Vytáhla z aktovky klíč. Asi úplně smrtelně. ... (S. 9 ff.)
In dem vorliegenden Dialog zwischen Danny und Irena, einem der von ihm umworbenen Mädchen, zeigt sich, dass das Persuasionsziel durch den Proponenten etappenweise offenbart wird und im gesamten Dialog nicht explizit geäußert wird. Während die Frage „Můžu tě doprovodit?“ (Zug 3) auch zur Vorbereitung der Äußerung eines beliebigen anderen Handlungsziels dienen könnte, macht es die Bewertung „Ty seš krásná, Ireno“ (5) der Opponentin möglich, zu erahnen, was der Proponent anstrebt. Weitere Beiträge, die die Äußerung des Handlungsziels vorbereiten und gleichzeitig dieses bereits erkennen lassen, sind „Jedině že chci dycky bejt v tvý blízkosti, Ireno“ (17), „Já tě miluju, a ty –“ (25) und „Podle skutků jejich poznáte je“ (33). „Na tamto sou jiný skutky“ (35) ist schließlich die implizite Äußerung des Handlungsziels. Es ist anzunehmen, dass der Proponent eine dissimulative Strategie verfolgt, jedoch wird diese bereits nach Turn 5 von der Opponentin durchschaut. Ihre Frage „Copak chceš?“ (6) lässt erkennen, dass sie beim Proponenten ein Handlungsziel vermutet, das dieser noch vor ihr zu verbergen versucht. Durch hartnäckiges Nachfragen in den folgenden Turns bringt sie schließlich den Proponenten zu der Äußerung „Jedině že chci dycky bejt v tvý blízkosti, Ireno“ (17), was bereits sein Handlungsziel erkennen lässt. Mit dem folgenden Zug zeigt die Opponentin, dass sie über soviel Vorwissen über den Proponenten verfügt, dass sie das Handlungsziel bereits kennt („Právě že to ti nikdy nestačí“, 18). Das erste Argument des Proponenten ist in Zug 5 enthalten. Es handelt sich dabei nicht um ein Argument, das die Ratio des Opponenten anspricht, sondern um ein Kompliment, mit dem sich der Proponent einschmeicheln möchte. Ein Kompliment ist eine positive Bewertung des Gegenüber, die die Bewertung des Proponenten durch den Opponenten verbessern bzw. beim Opponenten ein Gefühl der Verpflichtung hervorrufen soll, um so die Chancen zu erhöhen, dass der Opponent im Sinne des Proponenten handelt. Diese Absicht wird jedoch in diesem Fall von der Opponentin durchschaut und die folgenden Züge sind nun davon bestimmt, dass 11
die Opponentin den Proponenten zur Enthüllung seines Handlungsziels bringen will und dieser sich dagegen sträubt. In Zug 17 schließlich wird dieses geäußert („Jedině že chci dycky bejt v tvý blízkosti, Ireno.“), gleichzeitig jedoch negiert: Der Proponent äußert romantische Gefühle für die Opponentin durch den Wunsch, immer in ihrer Nähe zu sein. Gefühle der Verliebtheit schließen i. d. R. den Wunsch nach sexueller Annäherung ein, was jedoch vom Proponenten im gleichen Zug verleugnet wird („Jinak nic“). Es handelt sich hier wiederum um den Versuch, durch eine Art Kompliment Einfluss auf die Opponentin zu nehmen. Mit Zug 21 („Ale vod tebe to neni hezký“) leitet der Proponent wieder ein Argument ein um sein Handlungsziel zu stützen („Já tě miluju, a ty – “, 25). Dieses besteht darin, dass er bei der Opponentin das Gefühl hervorrufen will, sie behandle ihn schlecht und sei ihm in gewisser Weise verpflichtet. Die folgenden Turnwechsel münden in der impliziten Äußerung des Handlungsziels durch den Proponenten („Podle skutků jejich poznáte je“, 33 und schließlich „Na tamto sou jiný skutky“, 35). Gleichzeitig handelt es sich hierbei um ein objektives Argument, während die bis hierhin verfolgte Argumentation des Proponenten mit der impliziten Äußerung seiner Zuneigung zur Opponentin subjektiv geprägt war (Zug 25 etwa stellt eine sehr emotionale Äußerung dar). Mit der objektiven Argumentation greift der Proponent auf die Bibel zurück als höhere Instanz, nach der man sich zu richten hat. Die Opponentin reagiert darauf mit einem ebenfalls religiös begründeten Gegenargument („Jenže na ty zas je desatero božích přikázání“, 36). Die objektive Argumentation wird vom Proponenten fortgeführt („Co třeba Zdeněk?“, 45). Mit Zug 53 („A nevíš asi proč, Ireno? Zrovna ty nevíš proč?“) leitet der Proponent wiederum ein subjektives Argument ein, das in der Äußerung seiner Gefühle für die Opponentin besteht und einem Appell an ihr Mitgefühl besteht („Jsi krutá a bezcitná a já tě miluju a ty to víš a stejně mi dáš košem.“, 73). Die Opponentin reagiert darauf mit einer Akzeptanzerklärung („A co dyž nedám?“, 74). Der Proponent bringt daraufhin ein neues Handlungsziel ein („Šla bys – já bych sehnal klíče od Pittermanovic chaty a –“, 79), das von der Opponentin mit einem negativen Bescheid und einem gegeninitiativen Sprechakt beantwortet wird („To ne. Na žádnou chatu se nepude, Danny. To víš! To zrovna! Ale přiď ve tři k nám, jo?“, 80). Die Gegeninitiative wird wiederum vom Proponenten mit einem objektiven Argument abgelehnt („U vás už sem byl. Sedumkrát. To je teda jako dybys mi dala košem.“, 81). In den darauffolgenden Zügen macht die Opponentin (die nun zur Proponentin geworden ist) ihr gegeninitiatives Handlungsziel für den (ehemaligen) Proponenten akzeptabel und dieser gibt eine Akzeptanzerklärung ab („Ireno! Myslíš to vážně?“, 85), woraufhin die Opponentin einen Sprechakt vollzieht, der als Akzeptanzerklärung des Handlungsziels des Romanhelden verstanden werden kann („No asi jo. Asi úplně smrtelně.“, 86) – dass sich diese im weite12
ren Verlauf der Erzählung als Pseudoakzeptanzerklärung herausstellen wird, die nicht den Vorstellungen des Proponenten entspricht, ist hier nicht von Belang. Ob der Proponent die Intention des Überzeugen-Wollens oder des Überreden-Wollens verfolgt, ist schwer einzuschätzen. Ausgehend von der Art des Handlungsziels, das als gegenständlich-praktisch anzusehen ist – die Äußerung dessen „Na tamto sou jiný skutky“ zeigt, dass eine Verknüpfung mit einer emotiv-psychischen Komponente (in Form einer romantischen Liebesbeziehung) in diesem Dialog nicht im Vordergrund steht – sind beide Handlungsintentionen möglich.18 Ein Dialog, der im Gegensatz zu obenstehendem die klassische Struktur eines persuasiven Dialogs aufweist, findet sich auf Seite 118:
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K
… Danny Eště má tvuj táta housera? zeptal jsem se mnoha postranními úmysly. Kristýna Už ne, řekla Kristýna. Už je zdravej. D A kam deš? K Na piáno. Pohlédla na sluneční hodiny. Jéžiš! Už sem tam měla bejt! D Nechoď! pravil jsem naléhavě. K Seš dobrej! A co řeknu doma? D Řekneš, že se ti udělalo špatně, třeba. Žes v parku třeba vomdlela. K To mi náš táta bude akorát věřit! pravila, a bylo na ní vidět, že problém v této chvíli není už Jestli, ale Jak. D Tak ne žes vomdlela. Že se ti jenom udělalo slabo nebo tak. Zahraj to na ženskou, že. Táta se tě přece nebude na takový věci vyptávat. K Na jaký věci? nepochopila Kristýna. D No na ty ženský věci a tak. Kristýna pochopila. Proměnila se v pivoňku. K Já nevim, pravila. Já – a stejně by to bylo jen ani ne na hodinu. Nejdýl ve štvrt na pět musim bejt doma. Táta se mnou bude dělat úkol z matyky. D Budeš, řekl jsem hrdinně. I když za hodinu, toho jsem si byl vědom, se toho moc stihnout nedá. Nebo možná dá, ale já moc nestihnu. Za hodinu. Budeš. Pudem si sednout do lesa. kývl jsem směrem na jih, kde na konci kratičké ulice bylo vidět to zmíněné místo. Krista zas nerozhodně pohlédla na sluneční hodiny, pak na dům vedle radnice. Kristo! Já se na tebe tak těšil! přihušťoval jsem to. A přeci chápeš, že sem nemoh přijít. Šlo vo vážný věci. A teď sem za tebou extra přijel autobusem. Tak vidíš, jak vo to stojim, bejt s tebou. Třeba teda jenom pouze ani ne na hodinku. Vlastenecký argument i ji naplnil hrdinstvím. 14 Tak poď! vybídla mě. Rychle jsme přešli kolem domu, kde byla dole tabulka „J. K. Hejda, ředitel kůru. Klavír – housle – harmonium“, a za tři minuty už jsme seděli na lavičce v lese. ... (S. 118 f.)
Der Protagonist des Romans will hier das Mädchen Kristýna zu einem gemeinsamen Spaziergang überreden, bzw. dazu überreden, dass sie Zeit mit ihm verbringt. Der Proponent bringt hier sein Handlungsziel in Zug 5 („Nechoď“) ein. Die Opponentin antwortet mit einem negativen Bescheid in Form einer rhetorischen Frage, auf die der Proponent jedoch eine Antwort gibt und so eine Lösung aufzeigt, die im nächsten Zug von der Opponentin in Form einer ironischen Bemerkung als nicht realistisch bewertet wird. Nach weiteren Argumenten folgt
13
schließlich in Zug 14 („Tak poď!“) die Akzeptanzerklärung der Opponentin. Somit liegt bei diesem Dialog die klassische Struktur, wie sie Abb. 1 zeigt, vor.
5.2
Sprachliche Mittel
Im ersten Abschnitt des ersten Dialogs fallen die häufigen Verständnisfragen des Proponenten auf: „Co?“ (7), „Jak to?“ (9). Diese dienen der Verteidigung der Verschleierung des eigentlichen Handlungsziels. Gleiches gilt für „Já? Dycky?“ (17), das in seiner Frageform, die zusammen mit der passenden Intonation wohl Unverständnis und Empörung ausdrücken soll, die Echtheit des Widerspruchs gegen die Behauptung der Opponentin besonders glaubwürdig erscheinen lassen soll. Ebenso als Mittel der Verschleierung ist die Verwendung von Pronomina einzuordnen („Tohle.“, 23), die den inneren Widerstand des Proponenten gegen eine explizite Äußerung zeigen. Parallel dazu dient auch das Nomen skutek (in „Podle skutků jejich poznáte je.“, 33) dem Umgehen einer klaren Äußerung, indem es hier ähnlich einem Pronomen eine Stellvertreterfunktion für Z einnimmt. Elke Mann analysiert in Ihrer Arbeit zum Russischen die verschiedenen Einstellungspartikeln, die für die gesprochene, informelle Sprache besonders charakteristisch sind. Sie unterscheidet hier Dissensmarker (же, да, неужели, разве) und Konsensmarker (ведь). Da Dissens eine Voraussetzung für persuasive Dialoge und Konsens das Ziel persuasiven Sprechhandelns ist, ist anzunehmen, dass diesen Partikeln in persuasiven Dialogen eine besondere Rolle zukommt.19 Ein Beispiel für die Verwendung solcher Partikeln in den untersuchten Dialogen ist die Äußerung „Ale dyť to víš“ (65). Bei dyť handelt es sich um die umgangssprachliche Form der Partikel vždyť. Diese hat im Deutschen ihre Entsprechung in der Partikel doch. In der deutschen Übersetzung von Prima sezóna ist Zug 65 entsprechend mit „Aber du weißt es doch“ wiedergegeben. 20 Marek Nekula ordnet die Partikel vždyť bezugnehmend auf die Mluvnice Češtiny als Appellpartikel ein.21 Weitere Beispiele für die Verwendung von Partikeln finden sich in den rhetorischen Fragen „A neni snad?“ (28), „Copak tohle neni skutek, že s tebou jdu?“ (34) und „Já snad běhám za každou?” (51). Copak und snad zeigen in diesen Fällen die Überzeugung des Sprechers an, dass die in der Frage jeweils enthaltene Aussage
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Vgl. Mann, Elke: Persuasive Sprechhandlungen in Alltagsdialogen des Russischen, S. 168. Ebd., S. 215ff. 20 Škvorecký, Josef: Eine prima Saison. Ein Roman über die wichtigsten Dinge des Lebens. München: Piper 1999, S. 12. 21 Nekula, Marek: System der Partikeln im Deutschen und im Tschechischen. Unter besonderer Berücksichtigung der Abtönungspartikeln (= Linguistische Arbeiten; 355). Tübingen: Niemeyer 1996, S. 7f. 19
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falsch ist (so etwa in „Já snad běhám za každou?“ die Überzeugung, dass die Proposition já běhám za každou nicht der Wahrheit entspricht). In „Copak chceš?“ (6) drückt die Partikel dementsprechend die Überzeugung, dass das Gegenüber in der Tat etwas will aus und gleichzeitig die hohe Emotionalität mit der die Sprecherin eine Antwort einfordert. Insgesamt zeigt die Verwendung der Partikeln sowie des Mittels der rhetorischen Frage die hohe Emotionalität von der das Sprechhandeln der Interaktanten hier geprägt ist. Diese wird auch durch die Kürze einiger Züge angezeigt („Neni. A co chceš?“, 12), exklamative Feststellungen wie „Lžeš!“ (14) und „No fakt!“ (15), die Aussage des Proponenten wiederholend in „Jo nic!“ (18) sowie die Verwendung des Mittels der Ironie in „To je ohromný!“ (27). Auch im zweiten Dialog finden sich Beispiele für die Verwendung von Partikeln. So etwa in „Táta se tě přece nebude na takový věci vyptávat“ (9) und „A přeci chápeš, že sem nemoh přijít“ (13). Beide hier aufgeführten Typen der Verwendung von Partikeln – 1. in einer rhetorischen Frage und 2. in einem Aussagesatz – könnten insofern typisch für persuasives Sprechhandeln sein, dass durch beide die Zustimmung des Gegenübers zu bestimmten Aussagen und so eine schrittweise Annäherung dessen an das Persuasionsziel erreicht werden soll. Auf die Frage „Já běhám za každou?“ (bei neutraler Intonation) kann eine freie Meinungsäußerung des Gegenübers erfolgen, während die Frage „Já snad běhám za každou?“ die Erwartung ausdrückt, dass der Angesprochene der Aussage nicht zustimmt. Die Partikel snad drückt hier aus, dass es für den Sprecher offensichlich ist, dass die Proposition der Frage falsch ist und gleichzeitig, dass dies für den anderen auch offensichtlich sein müsste. Ebenso verhält es sich mit dem zweiten hier beschriebenen Typ: Während der Satz „Táta se tě nebude na takový věci vyptávat“ entweder eine Meinungsäußerung ist oder eine Mitteilung einer Information, die dem Angesprochenen vielleicht nicht zugänglich ist, handelt kann es sich bei dem Satz „Táta se tě přece nebude na takový věci vyptávat“ nicht um die Weitergabe einer sicheren Information handeln, sondern um eine Meinungsäußerung bei gleichzeitigem Ausdrücken der Ansicht, dass die Richtigkeit oder Wahrscheinlichkeit dieser Aussage allgemein und auch durch das Gegenüber sozusagen dem „gesunden Menschenverstand“ folgend anerkannt werden muss. Intention solcher Aussagen ist die Herstellung von Konsens, so wie dies auch das Ziel persuasiven Sprechhandelns ist. Dabei will der Proponent den Opponenten (oder umgekehrt) dazu bringen einem Argument zuzustimmen um so ggf. schrittweise sein Handlungsziel zu erreichen.
15
5.3
Bewertungen
Ausgehend davon, dass es in persuasiven Dialogen (wie im übrigen in allen argumentativen Dialogen) um die Richtigkeit oder Wahrheit von Handlungen, Sachverhalten etc. geht, und hierbei Argumente zwischen den Interaktanten ausgetauscht werden, ist davon auszugehen, dass bewertenden Sprechakten dabei eine besondere Rolle zukommt, bzw. diese besonders häufig auftreten. Im ersten untersuchten Dialog z.B. die Aussagebewertungen „Je to fakt.“ (30) oder „A mimoto kecáš.“ (43). Erkennbar ist hier der von Kosta beschriebene Zwang auf eine Bewertung ebenfalls mit einer Bewertung zu reagieren.22 So etwa die Aussagebewertungen „Dyť je to pravda“ (11) und als Reaktion darauf „Neni.“ (12) oder die Sequenz „Lžeš!“ (14) – „No fakt!“ (15) – „Lež jako věž“ (16). Gleichzeitig ist hier wiederum der zwischen den Interaktanten bestehende Dissens zu erkennen, durch den ein besonderes Bedürfnis nach Ausdruck der eigenen Bewertungen besteht. Durch das spezifische Handlungsziel bedingt kommt in den Dialogen von Prima sezóna der Adressatenbewertung eine besondere Rolle zu. Die Zustimmung zum Handlungsziel „sexuelle Handlungen“ erfordert in der Regel eine explizit und in besonderem Maße positive Bewertung des Proponenten durch den Opponenten. Die negative Bewertung Dannys durch Irena im ersten Dialog, beginnend mit „Já tě znám. Ty dycky něco chceš.“ (16) über „Neběhá za každou.“ (50) womit der Romanheld durch einen Vergleich mit seinem Nebenbuhler Zdeněk negativ beurteilt wird bis hin zu „Ponivač seš sukničkář.“ (54) besiegelt das Schicksal des Persuasionsversuchs.
6.
Resumée
Die Betrachtungen der persuasiven Dialoge aus Prima sezóna haben gezeigt, dass das besondere Handlungsziel, das diesen übergeordnet ist, Auswirkungen hat auf die Art des Einbringens dieses Ziels sowie die Strategie des Proponenten. Weiterhin zeigte sich, dass Adressatenbewertungen in Zusammenhang mit diesem Ziel eine besondere Rolle spielen. Unabhängig davon ist die Rolle der Partikeln zu sehen, die unabhängig vom Handlungsziel in persuasiven Dialogen verwendet werden.
22
Vgl. Kosta, Peter: Bewertung und Konnotation in Milan Kunderas Werk als axiologisches und translationslinguistisches Problem. In: Gutschmidt, Karl/Keipert, Helmut/Rothe, Hans (Hrsg.): Slavistische Studien zum XI. Internationalen Slavistenkongreß in Pressburg / Bratislava (= Bausteine zur Slavischen Philologie und Kulturgeschichte, Reihe A: Slavistische Forschungen; N.F. 11-71), S. 253
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Bibliographie: Kosta, Peter: Argumentation, Persuasion und der turn-taking-Mechanismus, in: Čmejrková, Světla/Hoffmannová, Jana/Müllerová, Olga/Světlá, Jindra (Hrsg.): Dialoganalyse VI, Referate der 6. Arbeitstagung Prag 1996, Teil 1. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1998. Kosta, Peter: Bewertung und Konnotation in Milan Kunderas Werk als axiologisches und translationslinguistisches Problem. In: Gutschmidt, Karl/Keipert, Helmut/Rothe, Hans (Hrsg.): Slavistische Studien zum XI. Internationalen Slavistenkongreß in Pressburg / Bratislava (= Bausteine zur Slavischen Philologie und Kulturgeschichte, Reihe A: Slavistische Forschungen; N.F. 11-71). Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1993. Kosta, Peter: Zur semantischen Struktur und illokutionären Kraft persuasiver Sprechakte, in: Girke, Wolfgang (Hrsg.): Slavistische Linguistik 1995. Referate des XXI. Konstanzer Slavistischen Arbeitstreffens Mainz 26.-29.9.1995. München: Otto Sagner 1996. Mann, Elke: Persuasiver Dialog. In: Kosta, Peter/Mann, Elke (Hrsg.): Slavistische Linguistik 1996. Referate des XXII. Konstanzer Slavistischen Arbeitstreffens. Potsdam, 17.-20.9.1996 (= Slavistische Beiträge; 354). München: Otto Sagner 1997. Mann, Elke: Persuasive Sprechhandlungen in Alltagsdialogen des Russischen. Unter besonderer Berücksichtigung ihrer Handlungsbedingungen. München: Otto Sagner 2000. Nekula, Marek: System der Partikeln im Deutschen und im Tschechischen. Unter besonderer Berücksichtigung der Abtönungspartikeln (= Linguistische Arbeiten; 355). Tübingen: Max Niemeyer 1996. O’Keefe, Daniel J.: Persuasion. Theory and Research, Newbury Park/London/New Delhi: Sage Publications 1990. Škvorecký, Josef: Eine prima Saison. Ein Roman über die wichtigsten Dinge des Lebens. München: Piper 1999.
17
Škvorecký, Josef: Prima sezóna. Text o nejdůležitějších věcech života, Praha: Nakladatelství Galaxie 1991, S. 128. Alle nachfolgenden Zitate aus „Prima sezóna“ entstammen dieser Ausgabe. Seitenzahlen sind im Text angegeben. Smith, Mary John: Persuasion and Human Action. A Review and Critique of Social Influence Theories. Belmont (Kalifornien) 1982.
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