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Oper im Fernsehen – ästhetische und dramaturgische Probleme Sigrid Wiesmann (Wien-Siegen) Brian Large, der als Bildregisseur mit über 200 Opern der gefragteste ist, sagte einmal, „es sei erstaunlich, daß Opern überhaupt“ noch „den Bildschirm erreichen.“1 Bei ihm ist dieser Satz auf die produktionstechnischen und -ästhetischen Probleme bei der Aufzeichnung von Opernaufführungen bezogen. Genau so gut ist dieser Satz auf die seit den Anfängen des deutschen Fernsehens in den fünfziger Jahren entscheidend veränderte Kultur- und Medienlandschaft zu beziehen. Die Sendungen der integralen, d. h. vollständigen Opern spielen in den E-Programmen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten nach wie vor eine Rolle; die ‚dritten‘ ARD-Programme, die ‚Kultursender‘ 3sat und arte und – wenn auch nur mit vier Sendungen im Jahr – das ZDF senden regelmäßig vollständige Opern, meist allerdings auf ungünstigen Sendeplätzen. Nur wer einen Kabel- oder Satellitenanschluß und, der oft späten oder in die Sonntagsmatinée verlegten Sendetermine wegen, einen Videorecorder besitzt, kann im Bereich der Bundesrepublik im Durchschnitt immerhin mindestens eine Oper in der Woche sehen bzw. aufnehmen. Wir sehen neben Aufzeichnungen herausragende Neuinszenierungen großer Opernhäuser und Festspiele, die von Klassikern bis zu Ur- und Erst-aufführungen – vor allem bei arte –, auch Opernfilme verschiedenster Art; d. h. Oper im Fernsehen war nie so präsent wie in den letzten Jahren. Und das, obwohl sich die Rahmenverhältnisse entscheidend verändert haben, wenn auch nicht zu deren besten. Was wirkt dabei zusammen? 1. „Ein ‚neuer Kulturbegriff‘, der den aus dem 19. Jahrhundert überkommenen traditionellen bürgerlichen Kulturbegriff mit seiner Orientierung an der Antike, am ‚christlichen Abendland‘ und am Humanismus mit seinem enzyklopädischen Charakter abgelöst hat, und dessen Ideologen den Stellenwert der – klischeehaft – als ‚elitär‘ eingestuften Oper im öffentlichen Kulturbetrieb mehr oder minder in Frage stellen.“2 Aber gerade das Massenmedium Fernsehen hat zur Veränderung des Kulturbegriffs wesentlich beigetragen: „mit der Fernseh-versorgung [sei] die bürgerliche Kultur des 19. Jahrhunderts endgültig zu Grabe getragen,“3 so Heinz Ludwig. 2. Der wachsende Konkurrenzdruck privater Anbieter auf die öffentlichen Fernsehanstalten und 3. die rapide sinkenden Einschaltquoten bei Opernsendungen im Fernsehen dank eines immer breiteren Programmangebotes. (Im Durchschnitt hatten 1983 1
Brian LARGE: Oper fürs Fernsehen. In: Oper 1985. Jahrbuch der Zeitschrift Opernwelt. Zürich 1985, S. 78–80. Zit. auch in Jürgen KÜHNEL: Oper im Fernsehen. In: Inga LEMKE (Hrsg.): Theaterbühne – Fernsehbilder. Sprech-, Musik- und Tanztheater in und für das Fernsehen. Anif/Salzburg 1998, S. 159–188; hier S. 159. 2 Heinz LUDWIG: Musiktheater in einer veränderten Medienlandschaft. Ebda. S. 70–74; S. 72; s. auch KÜHNEL: S. 160. 3 Ebda.
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immerhin die vom ZDF ausgestrahlten Opern ca. 1,5 Millionen Zuschauer; bei der Eröffnung der Semperoper 1985 hatten sich 5,5 Millionen bei der vom ZDF übernommenen DFF-Live-Übertragung eingeschaltet, weniger des „Freischütz“ wegen, sondern wegen des kulturpolitischen events. 1994 hingegen wurde die vom ZDF gesendeten Opern gerade noch von 150 000 Zuschauern gesehen, d. h. nur 10% von 1983. Und die von den Kritikern einhellig gerühmte Aufführung von „Pelleas und Melisande“ durch die Welsh Opera in Cardiff in der Regie von Peter Stein und unter der musikalischen Leitung von Pierre Boulez erreichte, vom ZDF gesendet, nur mehr 30 000 Zuschauer – ein absoluter Tiefpunkt.4 Diese Veränderungen haben sich natürlich auf das Selbstverständnis der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten von ihrem Kulturauftrag längst ausgewirkt. Die Oper wird in die ‚dritten‘ ARD-Programme – das ‚Erste‘ sendet keine mehr –, verbannt. Dieter Stolte, ZDF-Intendant 1984: „Kulturprogramme im engeren Sinne, also Theater- und Kunstsendungen“ befänden sich „auf den unteren Plätzen des Interesses der Zuschauer. […] Im Fernsehen kann es nicht darum gehen, Elitekultur zu vermitteln, die dann keine oder nur wenige Zuschauer findet.“5 So ist es nur eine Frage der Zeit, wann das ZDF, nach der Theaterreihe „Aktuelle Inszenierung“ auch seine ohnehin nur viermaligen Opernsendungen einstellen wird. Die Oper ist zwar im Fernsehen noch nie so präsent wie heute, wenn auch nicht bei den großen Programmen in den öffentlichen Fernsehanstalten. Nach diesem Diskurs der veränderten Rahmenbedingungen, unter denen Oper heute stattfindet, möchte ich noch einen Punkt nennen: 4. Die Veränderungen in der Produktionsästhetik der Oper wie auch des Fernsehens: Die Oper ist eine theatrale Gattung: Die opernspezifischen Darstellungs- und Ausdrucksmittel erfuhren ihre Ausbildung im Rahmen des Mediums Theater. Dieser Code hat sich, wie Jürgen Kühnel es dargestellt hat, in zweifacher Weise verändert: Zum einen durch die Abkehr von den (oft und zu Recht belächelten) Aufführungskonventionen des 19. Jahrhunderts und, damit verbunden, eine Angleichung an die Regie- und Darstellungsstandards des Schauspiels, das diese Abkehr vom 19. Jahrhundert sehr viel früher vollzogen hat. Zum anderen durch eine, nicht zuletzt in der Konkurrenz der beiden Medien Theater und Fernsehen und dem daraus resultierenden Prozeß einer Mediendifferenzierung bedingte, verstärkte Akzentuierung gerade der Theatralität dieses Codes.6 Das heißt: In den letzten Jahrzehnten sind diese verschiedenen Codes der unterschiedlichen Darstellungs- und Ausdrucksmittel in Oper und Schauspiel sehr homogenisiert worden – denken Sie an die wachsende Zahl der Regisseure, die am Musiktheater und im Schauspiel arbeiten –, und zum anderen haben diese Gattungen eine ‚neue Theatralität‘ entwickelt, „aus der eine prinzipielle Inkompatibilität der Darstellungs- und Ausdrucksmittel der Oper (wie des Theaters überhaupt), mit denen des Fernsehens resultiert. Zumal auch die Produktionsästhetik des Fernsehens sich in den letzten Jahrzehnten und im Rahmen eben dieses Mediendifferenzierungsprozesses entscheidend verändert hat.“7 4 Heinz LUDWIG: Musiktheater in einer veränderten Medienlandschaft. Ebda, S. 72f.; s. auch KÜHNEL: S. 160. 5 Ebda. S. 72. 6 KÜHNEL, S. 162. 7 Ebda.
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Die Produktionsästhetik des Fernsehens wird als „genuin filmisch“8 bezeichnet. Large spricht von einer „Grammatik des Fernsehens, die sich aus den Techniken der Filmemacher der dreißiger Jahre entwickelt hat,“9 eine Tatsache, die sich in der einschlägigen film- und fernsehwissenschaftlichen Literatur wiederfindet; auch für Hicketier – er soll pars pro toto dafür genannt sein –, gibt es zwischen Film und Fernsehen keine ästhetische Differenz.10 Und doch läßt sich für die 50er Jahre und auch darüber hinaus eine genrespezifische Orientierung des Fernsehens auch am Theater beobachten. Es gilt dies für das Fernsehspiel ebenso wie für die Studioproduktionen von Opern, wie auch von „Fernsehopern“. Mit der MAZ-Technik, die sich seit Ende der 50er Jahre etabliert hat – seither haben Live-Produktionen im Fernsehen an Bedeutung verloren – führte dann zu einer Verstärkung der filmischen Produktionsweise. Natürlich ist der filmische Code der Darstellungs- und Ausdrucksmittel, über den das Fernsehen verfügt, gegenüber dem Kinofilm sehr eingeschränkt: Der kleine Bildschirm und die schlechte Bildauflösung, die Reduktion der Helligkeitswerte und die Verfremdung der Farbenskala, aber auch die mäßige Tonqualität trugen hierzu bei. Eine Entwicklung der fernsehspezifischen Variabilität der Bildsprache des Films war notwendig, zu der auch die Nah- und Großaufnahmen, mittlere Einstellungen, flache Beleuchtung, aber auch die Kompensation der bildästhetischen Mängel durch rasch wechselnde Bildfolge – am deutlichsten wohl an der fernsehspezifischen Gattung der Soaps zu beobachten: Die Ästhetik des Fernsehens, wie sie sich „verstärkt seit den 70er Jahren abzeichnet als in ihren Möglichkeiten reduzierte, als defizitäre Filmästhetik“, wie Kühnel sie bezeichnet.11 Oper im Fernsehen hat sich heute also nicht nur in einer gegenüber den 50er und 60er Jahren grundsätzlich veränderten und für das Musiktheater nicht unbedingt günstigeren Kultur- und Medienlandschaft zu behaupten, sondern, als intermediales Produkt, im Spannungsfeld zweier Medien, die sich nicht nur als technische und sozioökonomische Distributionsapparate unterscheiden, sondern auch sehr unterschiedliche ästhetische Codes entwickelt haben, wobei sich das differenzierte Repertoire der Darstellungs- und Ausdrucksmittel, über die das Musiktheater inzwischen verfügt, und der genuin filmische ästhetische Code des Fernsehens einander gegenüberstehen. Lassen Sie mich zu den verschiedenen Sendeformen der Oper im Fernsehen kommen, die sich im Laufe der Fernsehgeschichte verändert haben. Heute liegt die Skala der Sendeformen für Oper im Fernsehen zwischen der „Aufführungsreportage“ und des Opernfilms. Götz Friedrich spricht von „zwei grundverschiedene[n] Dinge[n]“,12 denn die Breite ergibt sich aufgrund der zahlreichen Interferenzen und Mischformen zwischen diesen beiden extremen Möglichkeiten. Bis Ende der 60er Jahre gab es noch die im Studio produzierte Fernsehinszenierung.13 Die soge18
Ebda. LARGE, S. Anm. 1, S. 78. 10 Knut HICKETIER: Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart und Weimar 1993, S. 184. 11 KÜHNEL, S. 163. 12 Götz FRIEDRICH: Die Oper zeigt sich in den Medien von einer neuen Seite. In: Oper 1985 (s. Anm. 1), S. 77. 13 Für diese Studioproduktionen standen dem Fernsehen als alternative Techniken ein „Live“-Verfahren und ein „Playback“-Verfahren zur Verfügung, wobei das „Playback“-Verfahren zusätzlich noch mit einer „Doublierungs“-Technik gekoppelt werden konnte. Dieser Technik bedient sich heute wieder der tschechische Regisseur Petr Weigl. 19
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nannte „Fernsehoper“ ist mit den Studioproduktionen vom Bildschirm verschwunden. Sie ist auch aufgrund der ästhetischen Entwicklung des Fernsehens obsolet geworden: Immerhin schrieben für dieses Genre u. a. Komponisten wie Menotti, Sutermeister, Egk und Britten. Unter „Aufführungs-Reportage“ versteht man Aufzeichnungen von Bühnenaufführungen. Dieser Sendeform in ihren verschiedenen Spielarten sind heute ca. 90% der Opernsendungen zuzurechnen. In der Regel ist die Aufzeichnung eine Aufführung mit Publikum, bei allerdings zeitversetzter Sendung, wobei der zeitliche Abstand zwischen Aufführung und Sendung sich zwischen wenigen Stunden, einigen Tagen und vielen Monaten bewegt. Die Direktübertragung ist selten geworden, weil sie mit zahlreichen Risiken verbunden ist. Sie ist daher, und war immer, eine Aufführung mit „event“-Charakter: ein Beispiel ist die schon erwähnte „Freischütz“-Übertragung zur Eröffnung der Semperoper, die vom ZDF übernommene DFF-Direktübertragung. Die „Aufführungs-Reportagen“ sind allerdings nicht unumstritten: Befürworter nennen zwei Funktionen: 1. die Dokumentation exemplarischer Aufführungen und die damit verbundene Information. Diese kann natürlich mit einem 10-Minuten-Digest nicht aufgewogen werden. Die Fernsehdokumentation einer exemplarischen Operninszenierung bedeutet eine Erweiterung des „kulturellen Gedächtnisses“ der Gesellschaft und darin liegt ihre eigentliche Bedeutung. Im aktuellen internationalen Operngeschehen ist für eine größere Öffentlichkeit der Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten näher als die Möglichkeiten anderen Opernsendeformen im Fernsehen; darin mag auch die Präsenz und Dominanz der „Aufführungs-Reportagen“ von Opern im Fernsehen begründet sein. Kritiker dieser Sendeform argumentieren u. a. mit dem Authentizitätsverlust und den ästhetischen Defiziten der Aufzeichnung über der Aufführung. Niemand bestreitet diesen Verlust an Unmittelbarkeit, den die Aufzeichnung bedeutet. Mit der Aufzeichnung geht jeder Augenblickscharakter verloren, „einmal mehr, einmal weniger gesteuert, aber immer mit dem Fluidum des Unvorhersehbaren“.14 Die ästhetischen Defizite der „Aufführungs-Reportage“ sind bekannt. Abgesehen von der Tagesform der Künstler sind es zu einem großen Teil in den genannten defizitären ästhetischen Möglichkeiten des Fernsehens bedingt: – der weitgehende Verzicht auf die Totale, die dem Fernsehzuschauer oft die räumliche Orientierung in einer Inszenierung erschwert, weil der Bildschirm zu klein und die Bildschirmauflösung schlecht sind, und – die Verfremdung der Farb- und Beleuchtungsskala. Denn gerade bei Inszenierungen, die sich durch eine differenzierte Farb- und Beleuchtungsdramaturgie auszeichnen, bedeutet die Fernsehaufzeichnung eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer ästhetischen Wirkungsmöglichkeiten. Beispiele dafür sind Achim Freyers Stuttgarter Inszenierung des „Freischütz“, Philipp Glass’ „Satyagraha“ oder Luc Bondys Salzburger „Figaro“.15 14
Gerhard PERSCHÉ: Kommt der Opern-Film-Sänger? In: Opernwelt. H. 5. 1983, S. 59. Wieland Wagner, der mit seinen Inszenierungen Theatergeschichte schrieb, weil er mit intensiven Farb- und Lichtwirkungen gearbeitet hatte, verbot die Dokumentation seiner Inszenierungen durch Farbphotographien. Auch Luchino Visconti hatte – wegen der möglichen Beeinträchtigung von Farben und 15
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Diese Defizite sind natürlich auch teilweise durch Aufzeichnungs- und Produktionsverfahren bedingt. So ∑ der, bei der Aufzeichnung mit fünf bis sieben fest postierten Kameras, mit jedem Schnitt verknüpfte Wechsel der Perspektive, der allen Regeln der Filmkunst widerspricht, da er technisch, aber nicht ästhetisch motiviert ist, ∑ der bei Nah- und Großaufnahmen mit dem „Sprung über den Orchestergraben“ durch Teleobjektiven oder Zooms verknüpfte Verlust an räumlicher Tiefenwirkung, und ∑ die mit Aufnahmen von oberen Rängen verknüpfte „Vogelperspektive“, die meist auch nicht ästhetisch motiviert ist, es sei denn, wie Kühnel meint, sie werde – kompensatorisch – zur Verdeutlichung der Bühnentiefe eingesetzt. Mit diesen Defiziten kann der Opernliebhaber leben: „Kopfschmerzen“ bereiten sie den Fernsehwissenschaftlern. Diese Defizite fallen umso weniger ins Gewicht, je mehr der Bildregisseur sich der Aufführung gegenüber auf eine dienende Rolle beschränkt, je mehr das Fernsehen sich bei einer „Aufführungsreportage“ als Teilnehmer und Vermittler begreift und die Aufführung sich primär am ästhetischen Codes der Oper orientiert, desto weniger beeinträchtigen die mit der Aufzeichnung verknüpften ästhetischen Defizite die Dokumentation. Varianten der „Aufführungs-Reportage“, bei der diese ästhetischen Defizite zumindest teilweise reduziert werden, sind: 1. Die „Aufführungs-Reportage“ auf der Basis mehrerer Aufführungen der Inszenierung. Sie erlaubt nicht nur einen Ausgleich der Tagesform der Sänger, sondern ermöglicht auch eine bessere Schnittechnik. Doch wird dieses Verfahren fast nur noch unter Festspielbedingungen möglich, da die großen Theater auch bei dem heute üblichen Stagione- und Semistagione-Betrieb mit wechselnden Besetzungen arbeiten. 2. Die Aufzeichnung einer Vorstellung ohne Publikum. Da ist einiges möglich: ∑ eine „fernsehgerechte“ Abänderung der Bühnenbeleuchtung und der Farbenskala einer Inszenierung, Reduzierung von Make-ups, die Kamera kann sich in der Szene bewegen, um nur einige Beispiele zu nennen. In der Regel wird bei diesem Verfahren mit Playback gearbeitet. Das Fehlen des Publikums und das PlaybackVerfahren führen zu erheblichen Identitätsverlusten. Die Fernsehadaptionen der Aufführungen der Bayreuther Festspiele arbeiten nach diesem Prinzip. Jeweils im September, im Anschluß an die Festspiele, werden sie, ohne Playback, aufgezeichnet. Kaum noch findet man 3. Die früher sehr beliebte Studioadaption von Bühneninszenierungen. Hingegen wird immer noch 4. Mit einem gemischten Verfahren gearbeitet, bei dem der Fernsehadaption Aufzeichnungen mit und ohne Publikum zugrunde liegen. Dieses Verfahren hat z. B. Paul Czinner bei seinen für das Kino bestimmten Verfilmungen des Salzburger „Don Giovanni“ von 1954 aus der Felsenreitschule, unter der Leitung FurtBeleuchtung, jeden Mitschnitt – auch nur auszugsweise – untersagt, so daß er, der zentrale Opernregisseur der 50er und 60er Jahre, heute nur noch mit seinen Filmen präsent ist. Auch Maria Callas, die sehr viel mit Visconti auf der Opernbühne gearbeitet hat und heute nur in wenigen Bilddokumenten zu sehen ist, am deutlichsten noch als stumme Medea in Pasolinis Film, wo sie als Darstellerin agiert.
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wänglers, in Bühnenbildern Clemens Holzmeisters – dessen „Faust“-Stadt von 1933 die „Don Giovanni“-Stadt war –, und des „Rosenkavaliers“ von 1960 – die Eröffnung des neugebauten Festspielhauses unter Karajan und Rudolf Hartmann –, sehr erfolgreich angewendet. Diese Filme wurden im wesentlichen unmittelbar nach Abschluß der Festspielsaison und ohne Publikum gedreht; aber es wurde jeweils eine Aufführung mit Publikum aufgezeichnet. Erlauben Sie mir einige Bemerkungen zu den Opernvideos (d. h. mit der Videokamera, für das Fernsehen und den Videomarkt produzierten Opernfilmen) des tschechischen Regisseurs Petr Weigl, der mit seinen Filmen („Maria Stuarda“, „Werther“, „Eugen Onegin“, „Romeo und Julia auf dem Dorfe“, „Lady Macbeth von Mzensk“ und „The Turn of the Screw“) an eine von Václav Kašlík begründeten Tradition anknüpft. Weigls Opernvideos lassen sich charakterisieren: ∑ die musikalische Basis des Films ist eine Referenz gegenüber der Schallplattenindustrie, ∑ gedreht wird ausschließlich an realen Drehorten, meist in Tschechien, gelegentlich werden sie auch an „Originalschauplätze“ apostrophiert, ∑ die Sänger werden von tschechischen Schauspielern gedoubelt, die natürlich jung und schön sind, ∑ einige Filme sind auf die Dauer von ca. 90 Minuten zurechtgestutzt. Der Rückgriff auf Referenzaufnahmen der Schallplattenindustrie soll ein Höchstmaß an musikalischer Qualität, Drehorte und Doubleverfahren sollen ein Höchstmaß an „Realismus“ und „Natürlichkeit“ garantieren. Die 90-Minuten-dauer kommt dem Rezeptionsverhalten der Fernsehzuschauer entgegen. Weigls Filme sind von der Kritik zeitweise hoch gelobt worden. Ein anderes Beispiel sind die Filmadaptionen Götz Friedrichs („Salome“, „Elektra“, „Falstaff“), die ganz andere Möglichkeiten des für das Fernsehen produzierten Opernfilm zeigen. Friedrichs Opernfilme sind im Studio – im Fall von „Elektra“ in einer Fabrikhalle – gedreht, im Playback-Verfahren, auf Grund einer schon produzierten Tonaufnahme und mit den Sängern dieser Aufnahme als Darsteller. Friedrich hat in diesen Produktionen mit den Darstellungs- und Ausdrucksmitteln des Films – mise-en-sce`ne, Kadrierung, Montage – eine Steigerung der Theatralität der Oper erreicht. Friedrich hielt in seinem „Elektra“-Film an der bei Hofmannsthal und Strauss vorgegebenen Einheit des Ortes strikt fest; die Szene ist der Hof zwischen den Ruinen des „alten“ und dem Plattenbau des „neuen“ Atridenpalastes; nur ist dieser Hof, mit den Mitteln der szenischen Inszenierung, in einen „Morast aus Regen und Blut“16 verwandelt. Der Darstellungsstil ist theatral; Mimik, Gestik und Proxemik Leonie Rysaneks, gleichermaßen intensiv wie expressiv, gehören eigentlich auf eine große Opernbühne und nicht in einen Film. Friedrichs Film reduziert hier nichts. Der extatische Tanz Elektras in der Schlußszene der Oper, an dessen Ende sie tot zusammenbricht, wird in seiner Wirkung durch den Einsatz bestimmter Mittel der filmischen Gestaltung und der Montage noch gesteigert. Den Höhepunkt des Tanzes und den Zusammenbruch Elektras zeigt Friedrich in Form einer filmischen „Metonymie“ (im Sinne der russischen Formalisten) – im Bild sieht man zuletzt nur Elektras nackte Füße in dem mit Blut und Wasser durch16
FRIEDRICH: Die Oper zeigt sich in den Medien von einer neuen Seite (Anm. 12), S. 77.
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tränkten Boden, erst rhythmisch stampfend, dann zuckend und schließlich starr. Dazwischengeschnitten sind Bilder der Mägde, die die Tanzende belauern, und Bilder Orests: Der als Befreier Begrüßte sieht aus einer engen Spalte des „neuen“ Palastes teilnahmslos zu, wie seine Schwester stirbt; er schließt die Öffnung demonstrativ, die Rufe Chrysothemis’ beantwortet er nicht mehr. Neben dem zum Postkartenklischee verkommenen Pseudo-„Realismus“ bei Peter Weigl, der fragwürdigen Anbiederung an das „Reality-TV“ bei dem „Wochenende mit Tosca“, eine gesteigerte Theatraliät bei Götz Friedrich stehen als vierte Möglichkeit die Videoproduktionen für das Fernsehen Peter Sellars Mozart – Da Ponte – Zyklus. Bei Sellars Opernvideos handelt es sich um Fernsehadaptionen von Opern in einem strikten Sinn: Sellars „transportiert die Oper ins Fernsehen“ in einer bis dahin nie dagewesenen Konsequenz, und es gelingt ihm wirklich, die Diskrepanz zwischen der Kunstform Oper und dem defizitären ästhetischen Code des Fernsehens zu überbrücken. Die Opernvideos sind im ORF-Studio produziert, auf Grundlage von Bühneninszenierungen – live und mit Publikum. Es handelt sich insofern um Fernsehadaptionen, als Sellars im Stil der soap operas des amerikanischen Fernsehens inszeniert und filmt. Ein letztes Beispiel der verschiedenen Möglichkeiten des für das Fernsehen produzierten Opernfilms ist Ingmar Bergmans Verfilmung der „Zauberflöte“, ein Auftragswerk für Radio Sverige anläßlich des 50jährigen Bestehens 1974. Bergman kombiniert in diesem Fim in sehr artifizieller Weise die Darstellungs- und Ausdrucksmittel des Theaters mit denen des Films. Seine „Zauberflöten“-Adaption erscheint über weite Strecken – so lange, wie Mozarts Opern sich im Rahmen des Wiener Volks- und Zaubertheaters bewegt – als fingierte „Aufführungs-Reportage“, als fingierte Aufzeichnung einer Aufführung auf der Bühne des barocken Schloßtheaters von Drottningholm, das für Bergman im Studio detailgetreu – inklusive der barocken Bühnentechnik – nachgebaut wurde, und sie bedient sich dabei vor allem der szenischen Konvention des 18. Jahrhunderts. Zu dieser fingierten „Aufführungs-Reportage“ gehört auch der ebenso fingierte Blick hinter die Kulissen: Papageno, seinen Auftritt beinahe verpassend; Sarastro, auf seinen Auftritt wartend, in das Studium der Partitur von Wagners „Parsifal“ vertieft – eine geistreiche wie auch ironische Anspielung auf die Parallelen zwischen Sarastros Priesterschaft und der Gralsritter. Dort, wo Mozarts „Zauberflöte“ die Grenzen des Volks- und Zaubertheaters überschreitet, verläßt Bergmans Film den eng abgesteckten Bezirk der an historischen Vorbildern orientierten Inszenierung und der fingierten „Aufführungs-Reportage“ und führt den Zuschauer, mit den genuinen Möglichkeiten des Films, in imaginäre und phantastische Räume. Die Klammer ist die bildliche Umsetzung der Ouverture, die auf die kindliche Perspektive aufgebaut ist. Bergmans „Zauberflöte“ ist ein Einzelfall, dessen kunstvolles Spiel mit den Möglichkeiten verschiedener Medien auf die dramaturgische Struktur der Opern Mozarts Bezug nimmt. Schließen möchte ich mit offenen Fragen, der Diskussion einiger spezifischer dramaturgischer Probleme der Oper im Fernsehen, die aus der prinzipiellen Inkompatibilität von Oper und Fernsehen resultieren und für die es, unabhängig von der gewählten Sendeform, bis jetzt noch keine vorbildlichen Lösungen gibt:
Oper im Fernsehen – ästhetische und dramaturgische Probleme ∑ ∑ ∑
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die bildliche Umsetzung der Ouverturen (auch der sinfonischen Abschnitte einer Partitur), die bildliche Umsetzung der Chor- und Ensembleszenen, die operntypischen Massenszenen, und die bildliche Umsetzung der Arien.
Address: Dr. Sigrid Wiesmann, Universität-GH Siegen, 57068 Siegen
Opera v televizi – estetické a dramaturgické problémy Sigrid Wiesmannová Autorka nastiňuje problémy, spjaté s uplatňováním operních kompletů (nikoliv koncertů árií apod.) v programech televizních stanic Spolkové republiky Německo (ZDF, ARD, 3sat, arte). Co všechno má na dnešní situaci vliv? 1. Proměna představ o kultuře v souvislosti s ústupem tradičních hodnot měšťanské éry podkopala do jisté míry i postavení opery, považované v nové situaci převážně za „elitářskou“ záležitost. 2. Rostoucí konkurenční tlak soukromých televizních stanic a jejich programů na veřejnoprávní televize. 3. Rapidně klesající počty diváků operních programů. V roce 1983 vykazovaly operní programy ZDF v průměru 1,5 milionu diváků, přímý přenos znovuotevření drážďanské Semperoper v roce 1985 sledovalo 5,5 milionu diváků, avšak v roce 1994 už vykazovaly operní přenosy v průměru jen 150 000 diváků. V případu opery Pelleas a Melisanda v provedení Welsh Opera v Cardiffu za řízení P. Bouleze klesl počet zájemců na pouhých 30 000. Důsledek: ZDF vysílá nyní jen 4 opery za rok. 4. Proměny v estetice operních inscenací. Navazujíc na studii J. Kühnela o opeře v televizi konstatuje autorka, že operní režie se v posledních desítiletích odvrátila od inscenačních konvencí 19. století a přiblížila se standardům činoherní režie. Tím ovšem vyšla najevo jistá inkompatibilita mezi inscenačními a výrazovými prostředky opery (a divadla vůbec) a televize. Jednou z možných cest se pak jevila tzv. televizní opera. Avšak její možnosti omezovala malá obrazovka, redukované možnosti nasvícení a barevné škály jakož i kvality zvukového záznamu. Opera v televizi je intermediální produkt, přičemž estetický kód televizních sdělení, vyrostlý z estetiky filmové, stojí v protikladu k výrazovým prostředkům hudebního divadla. Protilehlé póly dnešní škály forem operních programů v televizi dnes tvoří na jedné straně „reportáž o provedení opery“ (Aufführungs-Reportage), na druhé straně operní film. Asi 90% dnešních operních programů v televizi patří do první kategorie. Přímé přenosy jsou vzácností, protože jsou spojeny s mnoha riziky. Volba na ně padne obvykle jen tehdy, jsou-li navíc spojeny ještě s významnou společenskou událostí („event“). Vyznavači reportážního principu uvádějí jako přednosti své volby především dokumentační povahu programu a s tím spojené poskytnutí dalších informací. Naopak je takovým programům vytýkán nutný estetický deficit ve srovnání se samotným divadelním provedením. Pro televizního diváka je ztížena prostorová orientace ve scénickém řešení (zvláště při použití transfokátorů) a nuance nasvícení scény se rovněž vytrácejí. (Wieland Wagner, pracující ve svých inscenacích s barevnými a světelnými prvky velmi intenzivně, odmítal dávat souhlas k jejich fotografické dokumentaci, kterou označoval za silně zkreslující.) Při použití 5–7 pevně instalovaných kamer se s každým střihem mění pro diváka perspektiva, což odporuje filmařským pravidlům, protože jde o technickou motivaci změny, nikoliv estetickou. „Reportáž o provedení opery“ zkresluje někdy i tím, že je pořizována na základě několika provedení nebo bez přítomnosti publika, což
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přináší určité výhody: make-up může být redukován, nasvětlení může více odpovídat potřebám televizního záznamu, s kamerou je možno vstoupit přímo na scénu a pohybovat se tam s ní. Při této volbě obrazového záznamu se často pracuje také se zvukovým playbackem. Tak jsou pořizovány např. záznamy z bayreuthských slavnostních her, tj. vznikají až po jejich ukončení, ale ovšem bez uplatnění playbacku. Takto vzniklo i zfilmování salcburského Dona Giovanniho z roku 1954 za řízení Furtwänglera a Karajanova provedení Růžového kavalíra v roce 1960, přičemž jako hudební složka byl použit záznam některého z festivalových představení. Studie se obírá i další kategorií operních filmů, jak ji představuje praxe českého režiséra Petra Weigla, který je zaznamenává videokamerou jak pro užití v televizi, tak k prodeji na trhu videokazet. Takto zaznamenal – navazuje na Václava Kašlíka – opery Marie Stuartovna, Werther, Evžen Oněgin, Romeo a Julie na vesnici, Lady Macbeth z Mcenského Újezdu a Utahování šroubu (The Turn of the Screw). K Weiglovu rukopisu patří natáčení v reálu, pěvci jsou v obraze nahrazeni mladými a pohlednými činoherci, některé opery jsou zkráceny na cca 90 minut záznamu. I to odpovídá standardní kapacitě vnímání televizního diváka. Weiglovu metodu pak autorka označí jako pseudorealismus a klišé poštovních pohlednic. Naproti tomu filmové adaptace Götze Friedricha jsou natáčeny – s využitím playbacku – ve filmových ateliérech, ale s pěvci nahrávky i v obrazovém záznamu. To umožnilo Friedrichově operní režii uplatnit v obrazovém záznamu ryze filmovou techniku. Neredukuje přitom velkorysou operní gestiku pěvců (viz Leonie Rysaneková jako Elektra). Tímto způsobem je operní „teatrálnost“ ještě vystupňována. Další pojednávanou eventualitou operních zpracování pro televizi jsou filmové režie tří Mozartových oper na libreta Lorenza da Ponte z dílny amerického režiséra Petera Sellarse. Je z dosavadních režisérů ve svém „transportu opery do televize“ nejradikálnější a dle mínění autorky též nejúspěšnější ve svém překlenutí původní diskrepance mezi operou a deficitem estetického kódu televize. Zfilmování Kouzelné flétny, pořízené v roce 1974 Ingmarem Bergmanem představuje unikátní případ: vysoce artistní kombinaci výrazových prostředků divadla a filmu. Režisér zvolil cestu předstírané reportáže o provedení opery, a to navíc na historické scéně barokního divadla v Drottningholmu (ve skutečnosti byla věrná kopie této scény postavena ve filmovém ateliéru). Fingován byl i příběh, který se ve filmu odehrával za scénou. Při principiální inkompatibilitě opery a televize zůstávají stále otevřeným problémem zvláště obrazová podání ouvertur, ansámblů a árií. tv